Praktische Tipps zur Modellführung

by Marcel

Vor ein paar Monaten erschien dieser Artikel von mir in einem Internetmagazin. Innerhalb mehrerer Wochen und diverser Revisionen ist ein Artikel zur Modellführung entstanden, der hoffentlich vielen Fotografen weiterhilft. Damit er nicht in Vergessenheit gerät und auch von meiner Seite aus zu finden ist, hier nun der Artikel nochmal im Ganzen:

Modellführung, ob mit erfahrenen oder unerfahrenen Modellen, kann für manche eine ziemliche Hürde sein. Das muss es aber nicht! Mit ein paar simplen Regeln und etwas Übung lässt sich quasi jeder zur gewünschten Pose führen.

Für die Personenfotografie suche ich meine Modelle seit jeher unter anderem gerne auf der Straße, im erweiterten Freundeskreis oder in sozialen Netzwerken. Da Modellführung für mich aus der Personenfotografie von Anfang an nicht wegzudenken war, hatte ich dabei glücklicher Weise nie Probleme mit unerfahrenen Modellen.

Links: ein Modell mit Erfahrung auf einem Workshop, Rechts: ein Modell ohne Erfahrung aus einem sozialen Netzwerk

Was ist Modellführung?

Modellführung ist grundsätzlich leicht definiert. Es gibt ein Modell, also eine Person, die man fotografieren möchte. Um diese Person nun dazu zu bringen, den Ausdruck und die Pose einzunehmen, die man sich als Fotograf vorstellt, muss das Modell entsprechend dirigiert, also geführt werden.

Dass zur Modellführung neben Anweisungen auch das Gewähren kreativer Freiheiten gehört, so dass ggf. das Modell eigene Ideen mit einbringen kann, ist ein eher nicht so offensichtliches Element.

Immer wieder habe ich in den vergangenen fünf Jahren, in denen ich Personen fotografiere festgestellt, dass es keinen ultimativen Ansatz für die Modellführung gibt. Manchen Fotografen fällt es von Anfang an leicht, ein Modell zu dirigieren und nach kurzer Zeit mit dem Modell Ideen zu entwickeln, für andere hingegen ist Modellführung wirklich schwer.

Ist man an einem öffentlichen Ort oder trennt einen eine Glasscheibe bzw. eine größere Entfernung vom Modell, müssen Anweisungen besonders klar, knapp und eher beschreibend sein.

Ich persönlich empfinde es als besonders wichtig, selbst zu wissen, was ich sehen will. Natürlich können sehr erfahrene Modelle eigene Posen und Ideen entwickeln, doch der Fotograf entscheidet durch Licht, Schnitt und Perspektive, was davon wie zu sehen ist. Hat man selber eine Vorstellung davon, was einem an der Bildidee besonders wichtig ist, kann man explizit darauf hinweisen und das Modell zur gewünschten Pose führen.

In diesem Rahmen hilft die Analyse von Fotos hinsichtlich Pose und Ausdruck enorm bei der Modellführung. Was gefällt mir an dem Bild? Was gefällt mir an der Pose? Was bringt das Bild zum Ausdruck? Sieht man sich mit solchen Fragestellungen eine Reihe von Fotos an, die man sich ggf. als Favoriten gespeichert hat, wird man häufig Ähnlichkeiten finden.

Zwei Beispiele, wie ich Fotos gerne betrachte, um zu erkennen, was mir besonders gefällt.

Verhalten und erste Kommunikation

Das Thema Kommunikation ist einer der Kernpunkte, wenn es um die Personenfotografie in jeglicher Form geht. Generell bietet es sich an, bereits während des Schminkens einen Kontakt aufzubauen. Während die Visagistin schminkt, lässt sich darüber hinaus das Modell gut von der einen oder anderen Seite betrachten und bereits vor dem ersten Foto entscheiden, welche Vorzüge Gesicht und Statur bieten.

Speziell die Besprechung der Ideen und die Abfolge der Stylings sind wichtige, zu klärende Themen. Unerfahrene Modelle brauchen darüber hinaus häufig länger, sich bei Shootings wohl zu fühlen und in die Rolle des Modells zu finden.

Wer mit Freunden oder unter freundschaftlicher und professioneller Atmosphäre mit Modellen arbeitet, jedoch keine Visagistin hat, kann auch schonmal beim Schminken oder “Stylen” helfen.

Wer als Fotograf die Location stellt, ist Gastgeber und sollte sich entsprechend verhalten. Darüber hinaus gilt es selbstverständlich dem Team, speziell des anderen Geschlechts, nicht zu nahe zu treten und dennoch als Ansprechpartner und ggf. Entscheidungsträger zu dienen, besonders wenn man derjenige ist, der das Shooting initiiert hat.

Das Zwischenmenschliche

Neben Ideen und Absprachen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass man bei der Modellfotografie kein Objekt fotografiert. Wir sind alle menschlich, haben Bedürfnisse, sind ggf. mit fremden Personen eher unsicher und mögen es unterhalten zu werden.

Ein gesundes Interesse an demjenigen, der einem da gegenübersteht ist quasi unverzichtbar. Häufig habe ich beobachtet, dass Fotografen, die Modelle gut unterhalten können, schneller zu guten Ergebnissen kommen. Das bedeutet nicht, dass man auf Teufel komm raus den Pausenclown mimt, doch wer sich um sein Team kümmert, für eine angenehme Atmosphäre durch angemessene Verpflegung, Musik und interessante Gespräche, aber auch für den nötigen Respekt, Abstand und klare Ansagen sorgt, hat schnell eine Basis, auf der es sich gut arbeiten lässt.

Einer der wesentlichen Tipps im Rahmen der Vorbereitungen ist zudem, speziell bei freien Arbeiten, die Planung der Ideen gemeinsam mit dem Modell durchzuführen. Wer das macht, stellt sicher, dass alle Beteiligten bzgl. der Ideen auf einer Wellenlänge sind und sich entsprechend vorbereiten sowie hineinfinden können.

Vorgaben und Ansagen

Vor dem Shooting definiere ich gerne, was ich mit welchen Ansagen meine. Je mehr Ansagen bspw. bei unerfahrenen Modellen gemacht werden müssen, desto hilfreicher erweist sich das vorherige Erklären im Nachhinein.

Im Rahmen von Portraits beschreibe ich i.d.R. was für Bewegungen ich mit den Begriffen drehen, kippen und neigen meine. Das lässt sich im Anschluss ebenfalls auf den kompletten Körper ausweiten, wenn es einmal klar ist.

Wer Ansagen vorab erklärt, vermeidet Missverständnisse und erleichtert das Arbeiten.

Dabei verzichte ich völlig auf Richtungsangaben, da ich diese einfach mit der Hand oder durch Weisung mit dem Kopf anzeige. Das hat sich für mich besonders bewährt.

Um darüber hinaus zu vermeiden, dass ein Shooting unnötig anstrengend wird, ist neben regelmäßigen Pausen auch die Ansage wichtig, die Pose zu halten bis etwas anderes gesagt wird. Zum Einen ermöglicht diese Vorgabe es, Schärfe und Schnitt nach Betrachtung des ersten Schusses noch zu korrigieren, zum anderen können auch an der Pose weitere Feinheiten vorgenommen werden. Wer das Halten der Pose nicht vorgibt, hat gerne mal das Problem, dass das Modell sich in eine bequemere Körperhaltungen zurückbegibt und je nach Erfahrung des Modells die Pose somit mühsam wieder aufgebaut werden muss sowie ggf. nicht mehr so aussieht, wie vorher.

Speziell Posen, die sehr gerade sein sollen, benötigen manchmal mehrere Aufnahmen und Korrekturen.

Dynamisches Posing

Wer dynamische Posenwechsel mag, den Bildschnitt schnell und sicher wählen kann und das Modell im kreativen Fluss nicht behindern will, lässt es quasi “freestylen” und erhält somit nach jedem Schuss eine neue Pose. Eine sehr anspruchsvolle und sicherlich auch nicht leichte Arbeit für das Modell. Ergebnis daraus ist eine Vielzahl unterschiedlicher Aufnahmen in kürzester Zeit.

Diese Arbeitsweise lässt sich hin und wieder auch mit unerfahrenen Modellen durchführen, was mich den Hinweis vom Anfang aufgreifen lässt, dass es kein ultimatives Vorgehen bei der Modellführung gibt.

Im Idealfall findet man einen Mittelweg zwischen Vorgabe und freiem Posing, mit dem beide, Fotograf und Modell, arbeiten können.

Manche Modelle bringen von Beginn an so viel Energie mit, dass man sie vor der konzentrierten Arbeit erstmal rumflachsen lassen muss 😉 Hier m.M.n. recht passend mit dem Lensbaby Composer als Objektiv.

Im Rahmen zahlreicher Shootings habe ich auch bereits so manche negative Erfahrung damit gemacht, eine Pose bis ins kleinste Detail vorzugeben. Aus der Perspektive der Modelle gesehen, verunsichern viele Anweisungen stark, unterdrücken das Körpergefühl und führen schnell dazu, dass das Modell sich unwohl fühlt. Umgehen kann man das – wie so häufig – durch Kommunizieren der Ideen. Was soll mit der Pose ausgedrückt werden? Welcher Gedanke steckt dahinter? Vormachen hilft dabei ebenfalls ungemein, nicht zuletzt um festzustellen, dass gewisse Posen schlichtweg nicht möglich sind.

Feedback

Generell ist das Thema Feedback/Rückmeldung für die Modellführung sehr wichtig. Darüber, wie sich das Modell macht, darüber ob die Fotos gefallen und wie sie aussehen, aber auch um die Bildidee während des Shootings erneut zu besprechen, kann man Feedback geben.

Das sorgt dafür, dass die Aufmerksamkeit bei allen Beteiligten nicht schwindet und die Arbeit konzentriert durchgeführt wird. Sieht das Bild gut aus? Oder sind noch Sachen zu verbessern? Dann sagt das dem Modell!

Feedback kann dank des Zeitalters der digitalen Spiegelreflexkameras auch immer visuell sein. Viele Fotografen betrachten dennoch die Fotos auf den Rückseiten ihrer Kameras sehr häufig nur alleine. Zum einen erfolgt allerdings durch Zeigen der Fotos auch eine Bestärkung der Arbeit des Modells, zum anderen kommen häufig wiederum dem Modell Verbesserungen an den Posen oder anderweitige Kritikpunkte in den Sinn, die ihr so ggf. nicht beachtet hättet.

Als Modell hat man i.d.R. eine völlig andere Sichtweise auf die Szenerie, als der Fotograf. Um trotz ggf. ungewöhnlicher Aspekte Zweifel und Unsicherheit zu vermeiden, ist das Feedback gesprochen oder speziell als Bild auf dem Kamera-Display besonders wichtig.

Das Modell nur bei Bedarf gucken zu lassen oder so lange nichts zu zeigen, bis das Modell es nicht mehr aushält, erleichtert die Modellführung nicht und riskiert den Spaß des Modells am Shooting.

Die Technik (Equipment)

Oftmals stehen sich mit dem Thema Technik so manche Fotografen selbst im Weg. Wer die nötige Praxis im Umgang mit Studioblitzen missen lässt, sollte sich ggf. nicht zusätzlich noch mit massiv unerfahrenen Modellen belasten. Ein erfahrenes, gebuchtes und ggf. entsprechend bezahltes Modell kann so manche simple, weil unerfahrene Ausleuchtung wett machen.

Gleichermaßen lässt sich, sofern man seine Technik beherrscht, durch entsprechenden Zeitaufwand, Ruhe und gezielte Modellführung auch ein völlig unerfahrenes Modell zu guten Aufnahmen führen.

Anbei die folgenden zwei Fotos als kleiner Denkanstoß, ggf. einfach mal das vorhandene Tageslicht zu nutzen.

Links: Ausschließlich Tageslicht auf meiner Terrasse, Rechts: Tageslicht und zur Decke gerichteter Blitz als punktueller Aufheller

Konkrete Hinweise für die Modellführung

Als Tipps zur Anleitung möchte ich im Folgenden ein paar grundlegende Sachen vermitteln. Wie so mancher vllt. bereits erfahren hat, kann es vorkommen, dass Modelle nicht unbedingt verführerisch gucken, wenn man sagt “guck mal verführerisch”. Das hat oftmals mit dem Eigenempfinden, aber auch mit der Situation in der man sich bei einem Shooting befindet, zu tun.

Um dennoch Modelle bspw. verführerisch gucken zu lassen, verwende ich kombinierte Anweisungen. So wirkt ein Blick mit leicht geneigtem Kinn, also leichtem Blick von unten nach oben, leicht geöffnetem Mund und ggf. etwas gekipptem Kopf verführerisch.

Links: ein Tageslicht-Portrait sinnlich gehalten mit an der herangezogenen Schulter angelehntem Kopf, Rechts: der Fokus auf die durch Ausatmen leicht geöffneten Lippen

Speziell bei Portraits lassen sich viele Details vorgeben, die wie folgt wirken:

Kinn tiefer – verführerisch, schüchtern

Kinn höher – selbstbewusst bis eingebildet

Mund leicht geöffnet/leicht aus dem Mund ausatmen – sinnlich verführerisch

Mund weiter geöffnet/O-Form – Überraschung, in Verbindung mit geweiteten Augen

Kopf kippen – neckisch

Augenbrauen zusammenziehen – verärgert, abgeneigt

Die Zähne zusammenbeißen – wütend, verärgert, aggressiv

Diese Liste dient nur als kleines Beispiel, doch kann man daran erkennen, wie sich gewisse Anweisungen kombinieren lassen.

Links: ein spontanes Bild selbstbewusst und neckisch mit lockerem Blick über die Schulter, Rechts: ein geplantes Bild mit Fokus auf die leicht geöffneten, sinnlichen Lippen und einem Dreiecks-Rahmen-Aufbau durch den Arm

Darüber hinaus gilt es ebenfalls ein paar Sachen zu beachten.

Finger sollten nie zum Körper hin abgeknickt werden, da sie dann durch die zwei Dimensionen auf einem Foto aussehen wie abgeschnitten. Durch eine leichte Drehung oder Streckung sind die Finger jedoch wieder zu sehen. Generell bietet es sich an, Hände durch Bewegungen zu positionieren, das lässt das Ganze natürlicher wirken.

Ein geneigtes Kinn wirkt zwar verführerisch, jedoch ist es eher unvorteilhaft, wenn das Kinn so weit heruntergezogen wird, dass der Hals verschwindet.

Gerne drücken Modelle beim nach hinten Aufstützen den Arm durch. Dabei entsteht stets eine Art “Hähnchenkeule” durch die Oberarmmuskeln. Durch leichtes Abknicken oder aber Überstrecken, wie manche Modelle es können, wird das vermieden.

Füße sollten bei Posen, in denen sie frei gehalten zu sehen sind, immer gestreckt werden. Speziell im FineArt-Akt Bereich machen solche Details oftmals den Unterschied zwischen guten und schlechten Bildern aus.

Körperspannung ist generell ein wichtiges Thema. Die Arbeit mit (ehemaligen) Tänzern zeigt häufig den Unterschied zwischen Körperspannung und dem was keine Körperspannung ist. Auch bei Kopf-Portraits bieten sich daher hochhackige Schuhe im Stehen an, um die Haltung zu verbessern.

Modelle sollten nicht permanent lächeln müssen. Ihr wollt ein ehrlich strahlendes, lächelndes Modell? Dann lasst es erst dann lächeln, wenn es sein muss und strahlt selber hinter der Kamera mit. Wer seine Modelle über Minuten lächeln lässt, kriegt hinterher Fotos, auf denen der Mund ein Lächeln zeigt und die Augen das Gegenteil.

Mitlachen hilft, so einfach ist das 😉

Wer sich traut, kann versuchen Emotionen einmal ohne die entsprechenden Worte wie “Wut”, “Fröhlichkeit”, “Traurigkeit” etc. mit einem Modell zu fotografieren. Dazu würde ich empfehlen, sich vorher zu überlegen, welche Emotion man wie darstellen würde und/oder möchte, denn oftmals lassen sich solche zum Teil komplexen Ausdrücke nicht mal eben so zusammenbauen. Dennoch ist es eine hervorragende Übung, um Modelle führen zu lernen, wie ich finde.

Nicht selten bringen witzige Ideen frischen Wind in ein Shooting.

Ich hoffe ich konnte euch durch diesen Artikel das Thema Modellführung etwas näher bringen, ein paar Denkanstöße geben und euch dadurch ggf. demnächst das eine oder andere Shooting erleichtern.